Kirchenakte Tastungen-Wehnde vom 31.Mai 1955

In der Woche vor Pfingsten dieses Jahres wurde bei der Reparatur des Kirchturmes der evangelischen Kirche in Wehnde der Knopf heruntergelassen und in demselben wurde folgendes gefunden:

1. Vier Münzen und zwar:
eine preußische Münze aus dem Jahre 1844 zu 4 Pfennigen (Kupfer)
eine preußische Münze aus dem Jahre 1850 zu 2 Pfennigen (Kupfer)
eine preußische Münze aus dem Jahre 1851 zu 3 Pfennigen (Kupfer)
ein preußischer Silbergroschen aus dem Jahre 1850

2. Ein beschriebener Bogen vom 1. Oktober 1870:

Im Jahre 1870 wurde eine neue Helmstange auf dem hiesigen Kirchthurm gemacht: die Holzarbeit hat der Zimmermeister Vogt von Bischofferode gemacht, die Schieferarbeit der SchieferdeckerKeilholz auch von Bischofferode; als Kirchenvorstand
   1) Herr Pastor Bräuning als Präsis
   2) Gottlieb Lauterberg als Caßen Rendant u. Altarist
   3) Heinrich Juch als Altarist und Kirchenrath
   4) August Schatz als Kirchenrath
   5) Heinrich Heiland als Kirchenrath

Im Jahre 1870 hatte Deutschland mit Frankreich einen blutigen Krieg, wo aber Frankreich verspielte.
Ein Scheffel Korn kostet 1 Reichssthaler 15 Silbergroschen
Ein Scheffel Weitzen kostet 2 Reichssthaler 4 Silbergroschen
Ein Scheffel Gerste kostet 1 Reichssthaler 2 Silbergroschen 6 Pfennig
Ein Scheffel Hafer kostet 14 Reichssthaler

Das Bunte-Glas in den großen Kirchenfenstern ist ein Grün des Schulzen Lauterberg. Dieses ist ge- und unterschrieben von Schulzen Lauterberg.

Wehnde den 1 ten October 1870

als Lehrer ist hier der Lehrer Schreiber.

3. Ein umfangreiches Schriftstück des Herrn Pfarrer Franz Georg Schreck vom 11. Mai 1851 mit folgendem Wortlaut: (leider durch Witterungseinflüsse etwas verdorben)

Im Namen Gottes.

Nachdem bei Gelegenheit einer kleinen Reparatur am hiesigen Thurme der Knopf heruntergenommen worden ist, und es sich gefunden hat, daß die in demselben früher hineingelegten Urkunden aus dem Jahre 1672 und 1717 wahrscheinlich vermodert sind, da sie ohne Kapsel darin gewesen sein müssen: so soll hier zunächst mitgeteilt werden, was über dieselben im alten Tastunger Kirchenbuche von 1695 enthalten ist, wo es wörtlich also lautet:

"Anno 1717 ist die vollkommene reparirung des Kirchthurmes und Tachs im Monath Majo vor die Hand genommen und den 10 Junii geendigt worden, daß den Tag der Knopf glücklich aufgesetzt wurde, in den Knopf ist die vorige Schrift de dato den 15.ten Majo 1717 (NB soll heißen 1672. siehe unten in der Schrift von 1717) wieder eingelegt worden und mit ihrer vorigen schon eingelegten Münzen ein Bremer Groschen 2 lünebg Mrgt (?) 2 hildesheimsche Dreyer. in der Schrift sind benannt die hochadl. Kirchen Patrone Jost Heinrich und Hans Ernst von Wintzingerode, wie sie das jus Patronatus es exercitium religionis mit ihren Vorfahren über hundert Jahr besaßen, wie auch ihre damalige Priester als Hl ............... Juch, Pfarr ufm Ohnfeldern, Hl Georg Fridr. Juch, Pfarr zu Wintzingerode, Hl M. Johnann Wilhelm Suchland Pastor zu Tastungen und Wehne, Hl Andreas Rutze, Pastor substitutus zum Ohmfeldern. Von neuem ist eingeleget worden ein lünebg. 4....Stücke d ao 1714. So der Wehnische Hl. Obriste den zu...... und folgende Schrift von mir verferiget ist.

Zu wießen Sey hirmit: Nachdem Ao 1712 Domin 9 p Tr war der 24 Jul Abends 4 Uhr durch Gottes Gerechte Verhängniß ein gewaltiges Donnerwetter über wehnische Kirche zu stehen kommen, daß sowohl der Thurm als Kirchtach durch einen greuligen Donnerschlag gar sehr beschädigt worden:

Ob nun wohl zu verschiedenen Zeiten daran ist gebeßert worden, so sit doch deßen vollkommene reparirung Anno 1717 im Monath Majo vor die Hand genommen und den 10t Juni vollendet worden und zwar durch lobl. Veranstaltung derer sämtlicher wohlgebohrenen Herrn von Wintzingerode. als Hln Obrist Ludwig Philipn Hln Obristen Georg Fridrichn Hln Obristen Wasmuth Levin Hln Hauptm. Christoph Ludewig Hln Majow Johann Christian, Hln Hauptm.Joh. Ernst August und George Ludwig beyde Rittmeister und Gebrüder bodensteinischer Linie als sämtl. Gerichts-Herrn und Kirchen-Patrone, die das jus episcopale noch auf solche art und weise besitzen, wie ihre Hochadl.Sel.Vorfahren ...... und in beyliegenden Bericht de dato d.17 May 1672 aufgeschrieben ist:

unter der Fürsorge und eifrigen Gebtan der Gottesdienst sowohl in dieser als in anderen Kirchen die das Hochadl.Gerichts more evangelico und zwar ruhig und ohngekränket verrichtet, wie Gottes Wort lauter und rein gelehret und die h. Sacramente nach Christi Einsetzung gehandelt werden(zu deßen anhörung wie auch Gebrauch die Duderstädter Augsburgischen Confessions Verwandten sich ungehindert und ungekränket zeithero haben einfinden können und noch gethan) und dieses durch treu eiffrigen Dienst und Beystand der derzeitigen Pfarrherren, der wohlerwürdigen und wohlgelahrten als Johann Henr.Scharff, Pastor zum Bodenstein und Wintzingerode Hln Georg Conrad Rufstein Pastor zu Ohmfeldern und Adelsborn und M. Nevelini Adolphi Frohnii Pastor zu Tastungen und Wehne welche insgesamt benebenst denen Hochwohlgebohrenen Herrn Kirchen Patronen sich lassen dieses ihre fürnehmste Sorge und Gebeth zu Gott sey, daß der Hl.sein bei uns gebautes Zion und Kirche wolle unterstützen und vergrößern, Sein Wort und h. Sacramente bei uns rein erhalten bis ans Ende der Welt und uns dadurch in alle Wahrheit leite, Sein Wort ist die Wahrheit, dieses wolle der Grundgütige und barmherzige Vater thun zu vieler tausend Seelen bekehrung, Ihnen aber zur Verherrlichung Seines h. Namens und Ehr.

Verbum Domini manet in aeternum.
Gottes Wort und heilige Lehr
vergehet nun nimmermehr.
Votum.

Herr, erhalt dein Wort und Lehr rein bey uns zu deiner Ehr, wie auch Tauff und Sacrament bis da kommt der Welt ihr end, daß dadurch gezogen werde Hertz und Sinn von dieser Erde und geführt zum Himmel zu, wo da ist die wahre Ruh, daß also nach dieser Zeit wir hingehn zur Seligkeit.
Ebr.4,9

Welches von Hertzen wünschet und der nachkommenden Welt Nachrichtligen in diesen Knopf eingeleget hat

M. Nevelinus Adolphus Frohnius
Pastor zu Tastungen und Wehne
D.Joh.Adolphi Frohnili auperintendentis q. Mulhisini
Filius ad Mandatum Dominorum Ephororum
Anno 1717, den 10t Juni.
       mit eigener Hand."

So lautet die alte Urkunde. Von den erwähnten Geldstücken fand sich bei der jetzigen Abnahme des Knopfes am 25ten April d.J. gar nichts vor. Es mag nun mit jener alten Urkunde zugleich noch manche andere Nachricht aus alter Zeit, theils die Patronats-Familie, theils unser evangelische lutherisches Kirchenthum in diesem katholischen Landestheile betreffend, hier aufbewahrt werden.
Seit dem Jahre 1540 haben die Herren von Wintzingerode ihren Gottesdienst nach evangelischem Ritus zu halten begonnen, doch waren sie anfangs genöthigt, die Predigt des göttlichen Wortes mit ihren Dienstleuten heimlich zu hören, was in dem alten Kornhause bei Schloß Bodenstein geschah.

Doch muß ihnen bald die freie Ausübung ihres Glaubens zugestanden sein, denn schon 1560 ist ein lutherischer Pastor zu Tastungen und Wehne, Namens Eberhardus, gewesen. Diejenigen, welche seitdem nach ihm unsers evangelischen Glaubens treue Verkündiger hier und zu Tastungen gewesen sind, waren

2. Casparus Landstein um 1574. Weil ihn aber Barthold v. Wintzingerode nicht leiden wollte, kam er als Pastor nach Ascherode bei Nordhausen.

3. Wolfgang Höhne von 1577 bis 1624, in welchem Jahre er auf dem Wege nach Wehnde aufgehoben und den beiden Gemeinden von der erzbischöflichen Minzischen Regierung ein katholischer Priester, Namens Johann Adam Thalheim mit dem Substituten Johann Schaumberg aufgedrungen wurde. Höhne starb zu Sondershausen 1634; 84 Jahre alt.

4. Johann Suchland aus Ordruf von 1633 bis 1636, wo er ebenfalls von den katholischen Pfaffen vertrieben wurde. Indeß Magister Suchland bereits 1638 durch den Schutz der herzogl. braunschweigischen Regierung und den Patronats wieder im Amte und bekleidete dasselbe noch bis 1658, in welchem Jahre ihn sein Sohn als Hülfsprediger beigegeben wurde. Der Vater starb zu Tastungen 1664 oder 67.

5. M.Johann Wilhelm Suchland, Amtsgehülfe seines Vaters von 1658 bis 1663, dann Pastor in Wintzingerode und Schloß Bodenstein in den Jahren 1663 und 1664, darauf alleiniger Pastor in Tastungen und Wehne bis an seinen Tod 1695.

6. Andreas Rütze, zweitheriger Pastor in Kirche und Kaltohmfeld, 1695 bis an seine Tod am Ostermontage 1704, den 24ten Maerz. In der Kirche zu Wehne begraben.

7. Johann Georg Juch, bisheriger Pastor in Kirche und Kaltohmfeld, von 1704 bis an seinen Tod 1709,den 24ten Juli, 42 Jahr alt.

8. Magister Jahnn Nevelinus Adolph Frohne, aus Mühlhausen, vom Jahre 1709 bis an sein Tod 1719, den 9ten September, 39 Jahr alt. In der Kirche zu Tastungen begraben.

9. Georg Gottfried Müller aus Mühlhausen, von 1720, Dom.Oculi, bis an seinen Tod den 25ten Juli 1734; Er wurde 42 Jahre alt und liegt in der Tastunger Kirche begraben.
(NB des Predigers Herda vom 31. Mai 1955: Pastor Müller hat zu seiner Zeit in den Jahren 1725 bis 1727 die heute bestehende Kirche in Tastunger und auf altem Kirchengrund mit Hilfe aller Gemeindeglieder in Tastungen und Duderstadt neu erbaut).

10. Gottfried Christian Eisenhardt, bis dahin in Wintzigerode, von 1734, Dom.1.Adv. bis an seinen Tod, den 11ten Dezember 1773.

11. August Friedrich Eisenhardt, Sohn des Vorigen, Amtsgehülfe seines Vaters von 1762 bis 1773; dann alleiniger Pastor bis an seinen Tod in der Nacht vom Donnerstag zum Freitag vor Pfingsten 1803, 73 Jahr alt.

12. August Heinrich Wennig aus Sollstedt in der Grafschaft Hohnstein, vom 5ten Februar 1804 bis an seinen Tod am 17ten Mai 1849, dem Tage der Gedächtnisfeier der Himmelfahrt unseres Erlösers; 79 Jahr alt.

13. Franz Georg Schreck aus Schinne in der Altmark, zeitiger Pastor seit Dom. Invocavit, den 17ten Februar 1850.

Von dieser Kirche ist bekannt, daß sie zu Ende des 16ten Jahrhunderts und zwar gleich als evangelisch-lutherische Kirche neu erbaut ist, daher sie niemals die wenigen Jahre im dreißigjährigen Krieg ausgenommen, den Katholiken zum Gottesdienste gedient hat. In den Jahren 1664 bis 1694 ist ein sehr erweiterter Ausbau derselben zu Gunsten der Augsburgischen Confessions-Verwandten in Duderstadt vorgenommen, welche, nachdem ihnen erst 1808 durch die damalige königl.westfälische Regierung die Untermarktskirche in Ihrer Stadt bewilligt worden war, unterm 2ten September desselben Jahres an die Familie von Wintzingerode ein Danksagungsschreiben für den seit langen Jahren gewährten Schutz in Ausübung ihrer Religion und den Mitgebrauch der hiesigen und der Tastunger Kirche erlassen haben.

Soviel über die Vergangenheit. Nun will ich noch über die Gegenwart die Personen und Zustände einige Auskunft geben.- Zunächst die hohe Patronatsfamilie betreffend, so besteht dieselbe jetzt wie folgt:

Der derzeitige Senior der Familie ist der Se Excellenz, der herzogl.nassauische Ober-Kammerherr und Ober-Stallmeister, Friedrich Freiherr v. Wintzingerode, Ritter pp, aus dem Hause Adelsborner Sub-Senior und Seniorats-Verweser Sr Excellenz der vormalige würtembergische Staatsminister, Ritter mehrerer hoher Orden, Graf Heinrich levon v.W. auf Bodenstein.

Haus Bodensetin-Auleben:
1) Rittergutsbesitzer Ludwig v.W. in Kirchohmfeld;
2) Rittergutsbesitzer Eberhard v.W. daselbst;
3) Rittergutsbesitzer Georg v.W. in Auleben;
4) König. Preuß. Lieutenant und Kassen-Rendant Friedrich v.W. in Stendal;
5) Rittergutsbesitzer Johann v.W. in Kirchohmfeld;
Haus Adelsborn-Ohmfeld:
1) der herzogl. nassauische Minister-Präsident, Ritter pp, Friedrich Gerhard v.W. in Bieberich;
2) der Königl. Preuß.Major und Adjutant Adolph v.W. in Breslau;
3) der herzogl. nassauische Regierungsrath und Kammerherr Heinrich v.W. in Höchst;
4) der churfürstliche hessische Regierungsrath Philipp v.W. in burg;
5) der kaiserlich russische Obrist Ferdinand v.W. in Petersburg;
6) der kaiserlich russische Lieutenant Alexander v.W.;
Haus Adelsborn-Wehnde:
der königl. Preuß.Ober-Forstmeister und Hauptmann August v.W. in Cölln a.R.;
der königl. Preuß.Ober-Landrath und Kammerherr, Ritter,pp Wilhelm Freiherr von Wintzingerode-Knorr in Mühlhausen;

Diese genannten Herren üben das Patronatsrecht über die 3 Pfarreien Tastungen, Wintzingerode und Ohmfeld noch in der Weise aus, wie es früher ihre Vorfahren gethan haben und wie es in folgenden Urkunden begründet und ausgesprochen ist, nämlich:

1) in der Notariats-Urkunde und Vernehmung der drei evangelischen Priester Joh.Wilh. Suchland aus Teistungen, Andr.Rütze aus Kirchohmfeld u. Friedrich Georg Juch aus Wintzingerode, hauptsächlich über den Punkt,"daß sich die hochadlige Familie v.W. von jeher im ungestörten Besitze des Kirchen-Patronats und der geistlichen Gerichtsbarkeit befunden, auch stets das jus circa sacra in ihren 5 Gerichtsdörfern ausgeübt haben. vom 2ten und 3ten December 1674.

2) Species facti vom Gerichtshalter König: "daß die Familie v.W. im Jahre 1337 bei Erkaufung des Schlosses und Gerichtes Bodenstein vom Grafen von Hohnstein auch mit dem Patronate und dem jus circa sacra beliehen wäre und diese Rechte eine lange Reihe von Jahren unbeeinträchtigt ausgeübt hätte, bis sie jetzt der Erzbischoff und Churfürst von Mainz daran verhindern wolle." Vom 15. August 1744 .

3) in: Rechtsbegründetet Darstellung,"daß denen Herrn von Wintzingerode das jus circa sacra und die hohen Gerichte zustehen. Ums Jahr 1800 von Justizrath und Professor Tütter in Göttingen verfaßt.

4.) in der Bestätigung der Patronatsrechte und der geistlichen Gerichtsbarkeit für die Familie von Wintzingerode durch den Staats-Minister Grafen von der Schulenburg und Allergnädigsten Specual-Befehl Sr.Majestät des Königs Friedrich Wilhelm III von Preußen vom 26ten Februar 1803.

Aus diesem jus patronatus und dem jus sacra sind in alter und neuerer Zeit besonders folgende Verordnungen hervorgegeangen:

1) Ordnung, wie es im Gericht Bodenstein mit dem Gottesdienst zu halten;- noch aus dem 16. Jahrhunderte.

2) Kirchenordnung der Vettern Friedrich und Hans Friedrich von Wintzingerode; unter dem Titel:

Verordnung etlicher nothwendiger Punkte, wonach sich derer von Wintzingerode Prediger in ihrem Gericht Bodenstein einträchtiglich zu verhalten haben. Ums Jahr 1600 erlassen.

3) Kirchenordnung vom 4ten April 1710 nach der Versammlung der Patrone und Geistlichen des Gerichtes auf Schloß Bodenstein.

4) Dergleichen vom 29ten Januar 1721 nach der Versammlung zu Wehnde.

5) Zusatz zu der Kirchenordnung derer von Wintzingerode vom 4ten April 1710, die fleißigere Besuchung der Catechistionen und Betstunden anbefehlend. vom 14ten Februar 1721. Ferner eine spätere desfallsige Verfügung vom 22ten Januar 1739.

6) Einberufung der geistlichen des Gerichts zu einer Kirchen-Versammlung und Berathung über verschiedene Punkte in kirchlichen Angelegenheiten. vom 31ten März 1729.

7) von den Kirchen-Patronen angeordnete Gebete und Kirchenfeierlichkeiten, bei verschiedenen Gelegenheiten, wie auch Anordnungen in Betreff des Trauergeläutes. Aus dem 17.18.und 19.Jahrhundert. Allerdings ist das jus circa sacra in neuerer Zeit wohl ziemlich auf die königl. Behörden, den Ober-Kirchenrath und die Consistorien übergangen, und bei der Besetzung der Pfarreien Tastungen und Wintzingerode im Jahre 1850 haben die Patrone den Gemeinden aus freier Bewilligung mit Übereinstimmung der bestehenden Gesetze die Äußerung ihrer Wünsche gestattet und diese berücksichtigt. Ebenso ist das Verhältnis zu den Einwohnern der 5 Ortschaften durch Aufhebung der Patrimonial - Gerichtsbarkeit 1849 und die bereits begonnene Ablösung der Zinsgefälle und anderer Leistungen ein anderes geworden.
Obgleich die Stürme des Jahres 1848 nicht jene Ungerechtigkeit durchzusetzen vermocht haben, diese Gefälle des Herrn v. Wintzingerode ganz zu entziehen. Nur hat Sr.Excellenz, der Herr Graft v.W. seinen Pflichtigen 1 Jahr ganz erlassen, ein ander den Kirchen der resp.Orte geschenkt, was für Wehnde c. 90 Rth und für Tastungen c.168 Rth beträgt.- Einen dauernden Verlust aber hat das Jahr 1848 der Fam. v. Wintzingerode gebracht, den das Jagdrecht nämlich, welches Eigenthum der Grundbesitzer geworden ist, und sie haben sich nun seitdem sich dieselbe seit Jahrhunderten frei besessen, von den Gemeinden die Jagd erpachten müssen. Wir leben aber nun, dem Herrn sei es gedankt, wieder in einer Zeit, wo eine feste Regierung von allen Beeinträchtigungen im Besitze von Seiten der Socialisten und Communisten, die sich Demokraten nennen, kräftig schützt.

Unsere evangelische Kirchengemeinschaft besteht hier auf dem Eichsfelde natürlich ebenso ungefährdet, wie im ganzen preußischen und deutschen Vaterlande, wenn auch der Katholicismus gerade jetzt sein Haupt kühner erhebt und einen neuen Aufschwung zu nehmen beginnt, wozu die Jesuiten-Missionen, die auch in hiesiger Gegend, besonders zu Kirchworbis und Heiligenstadt, gehalten worden sind, wesentlich beitragen sollen. Jedoch ist der .............. Glaube unserer Evangelischen festgewurzelt und wird durch die Staatsgesetze so geschützt, daß nicht zu befürchten ist, es könne uns hier zerstreuten evangelischen Christen von einer Seite ein Schade geschehen. Als Pastoren und Seelsorger stehen außer mir jetzt im Amt: zu Wintzingerode Theodor Gustav Jürgens aus Magdeburg und J.H.W. Wittig in Ohmfeld, welche wie wir alle, halten an den paulinischen Worte 1.Cor.;3.11:(folgt in griechischen Buchstaben Wiedergabe dieser Stelle- zu deutsch: Einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus);- und darum sind auch die Bestrebungen der sc-gen. Lichtfreunde und der freien Gemeinden, die in Nordhausen einen Herd haben, hier nicht eingedrungen. Auch befürchteten wir von ihnen nichts, denn es wird sich bewähren das Wort unseres Luthers "Das Wort sie sollen lassen stahn."

Ein bedeutungsvoller Tag ist heute für die hiesige Gemeinde und Kirche. Mit Genehmigung nämlich der Königlichen Regierung zu Erfurt und der Herrn Patrone ist aus den Mitteln der Kirche von dem Orgelbaumeister Heyder zu Heiligenstadt für den Preis von eintausendeinhundert Thalern Courant eine neue Orgel gefertigt worden, da die alte, bedeutend kleinere, welche auf dem oberen Chore, das zum Teil, um Platz für die Höhe der Neuen zu gewinnen, herausgesägt ist. stand und die einst ein Simon Marschall unserer Kirche hat machen lassen, unbrauchbar geworden war. Dieses neue schöne Werk ist heute im Vormittagsgottesdienste durch den zeitigen Pastor zum Dienste bei der Andacht und zur Verherrlichung des Namens des Allmächtigen und des theuren Erlösers im Beisein des Herrn Patronats-Bevollmächtigten, Baron Eberhard von Wintziungerode, des Pastor Jürgens und vieler anderer Persönlichkeiten aus der Nachbarschaft feierlich eingeweiht worden und hat zum ersten Male unsern frommen Gesang mit ihrem kräftigen Tone zu Gott emporgetragen. Der Allbarmherzige schütze dieses Werk der Kunst, das zugleich ein Schmuck unseres Gotteshauses, seiner Ehre geweiht ist, daß durch dasselbe viele Seelen zu frommer Andacht geweckt und darin gestärkt werden. So nehme er auch in seine gnädige Obhut dieses ganze Gotteshaus und lasse darin uns und die kommenden Geschlechter, Belehrung, Trost und Erweckung finden durch sein göttliches Wort. - Bei unserem Gottesdienste gebrauchen wir hier in Wehnde noch das alte Sondershäusische Gesangbuch, in Tastungen das rein rationalistische Halberstädter. Der Herr wolle es fügen, daß bald für die beiden Gemeinden ein neues, die schönen alten und neuen Glaubenslieder enthaltendes eingeführt werden könne. Zu den liturgischen Handlungen dient als Grundlage die neue preußische Agende vom Jahre 1829.

Als Küster, Cantor und Schullehrer ist hier jetzt Georg Schmidt, seit 30 Jahren, angestellt. Die Presbyter sind gegenwärtig Heinrich Franke, Christian Schatz, Gottlieb Müller und Gottlieb Schmidt, sowie der Rendant Ernst Goedicke. Jedoch soll auf des Königs Befehl noch in diesem Jahre eine neue Kirchenverfassung eingeführt werden. Ebenso werden jetzt die Wahlen zu den Gemeinderäthen der neuen bürgerlichen Ordnung gehalten; jetzt aber ist noch Schulze im Orte Heinrich Juch, und die Schöppen sind August Francke und Gottlieb Lauterberg.

Noch verdient bemerkt zu werden, daß im vorigen Jahr die Separation der Ländereien des Besitzers des hiesigen Rittergutes Landrath v. Wintzingerode-Knorr und der bäuerlichen Grundbesitzer begonnen hat, bisher aber trotz der schon aufgewendeten großen Kosten noch nicht beendigt ist.

Im vorigen Jahre hat auch jene gefährliche Krankheit. die um 1830 zum ersten Mal aus Asien zu uns herüberkam, die ansteckende und schnell tödtende Cholera, freilich nicht in unseren Orten, dem Herrn sei Dank dafür! aber doch in der Nähe sich stark gezeigt, namentlich zu Kirch- und Stadt Worbis, Gerblingerode, Giboldehausen, wo allein in 2-3 Monaten ca. 400 Menschen daran starben, Heiligenstadt usw. arg gewühtet und auch anderwärts noch einzelne Opfer gefordert.

Wende, o Gott, auch ferner von uns diese Gefahr.-

Die gegenwärtigen Fruchtpreise sind folgende: Weizen (der Duderstädter Hunten) 1 Rth 7 1/2 Sgr; Roggen 1 Rth; Gerste 20 Sgr; Hafer 12 1/2 Sgr; Erbsen 25 Sgr; Kartoffeln 15 Sgr; Diese letzteren sind darum so theuer, weil sie im vorigen Jahr sehr schlecht gerathen sind auch schon seit einigen Jahren durch eine Krankheit, bei der die Knollen und auch vor der Reife schon das Kraut schwarz wird, oft Schaen gelitten haben. -Das Pfund Rindfleisch kostet 2 1/2 Sgr; Schweinefleisch 3 Sgr; Hammelfleisch 2 1/2 Sgr; Kalbfleisch 18-20 Pfennige.

Die Einwohnerzahl des Dorfes Wehnde beträgt jetzt nach der letzten Zählung im Dezember 1849 im Ganzen 377 Seelen.

An Münzen werden dieses Mal in die Kapsel gelegt:
1) Ein preuß. 8 ggr.Stück = 10 Sgr. aus dem Jahre 1775, von der verwitweten Frau Ober-Land-Forstmeister v. Wintz. geb.Freilin von Haynau hieselbst dazu verehrt.
2) Ein preuß. 4 ggr. Stück = 5 Sgr. von 1848, ein 2 ggr. Stück = 2 1/2 Sgr. von 1850, ein preuß. 4 Pfg.Stück mit deutlichem Gepräge, wie selten daran von 1844, alle drei vom Hl Baron Eberhard von Wintz. geschenkt.
3)Ein preuß. Silbergroschen, desgl.ein halber Silbergroschen und 2 Pfennig Stück von 1850 und ein 3 Pfennig Stück von 1851, diese vier Stück von mir.
Im Ganzen also 8 Stücke im Werthe von 19 Sgr.9 Pfg.

Zuletzt empfehlen wir nochmals dieses unser Gotteshaus mit allem, was es enthält, dem Schutze unseres gnädigen Gottes. Die ganze Gemeinde erhalte er im rechten Glauben seines Sohnes! Er mehre und stärke sie durch sein heiliges Wort und durch seine heiligen Sacramente und nehme seinen heiligen Geist nicht von uns. Amen.
Ein feste Burg ist unser Gott!

Geschrieben und in den Knopf gelegt zu Wehnde
          Domin. Jubilate den 11ten Mai 1851
                         vom zeitigen Pfarrer hier und zu Tastungen
                         Franz Georg Schreck
Siegel                 Eberhard von Wintzingerode
 Kirche zu Ta-                 als zeitiger Patronats-Bevollmächtigter.
 stungen und
 Wehnde

Noch hat Sr. Excellenz der Herr Graf v.W. Ein 4 ggr.Stück von 1843 und ein 2 1/2 Sgr.Stück von 1848 geschenkt.- Summa 27Sgr.3 Pfg.- Vom Förster Witzel hier 1 Mrg. von 1685.- Der Presbyter Heinrich Francke ist gestern Abend dem Herrn entschlafen.

Nachsatz des Predigers Heinz Herda in Tastungen, der seit 1952 in diesen Gemeinden Dienst tut:

Diese Abschrift habe ich in 11 Stunden Arbeit abgeschrieben damit kommende Geschlechter es leichter haben mit dem Lesen. Von den angeführten Münzen befanden sich nur noch 4 zu Anfang näher bezeichneten in der Kapsel. Wer und wann diese anderen Münzen entwendet hat, steht nicht fest. Neu eingelegt wurden von mir je eine Münze zu einem Pfennig von 1950 und zu zehn Pfennig von 1952, wie sie in diesem Teil unseres Vaterlandes, der Deutschen Demokratischen Republik, im Kurs ist. Das Pfung Mischbrot kostet 25 Pfennig.

Ein Wunsch meines hocheverehrten Amtsvorgängers aber ist von Gott erfüllt worden: Seit dem Heiligen Abend werden in unseren beiden Kirchen, genau wie im ganzen Deutschen Vaterland vom Rhein bis an die Oder ein einheitliches Gesangbuch benutzt, das Evangelische Kirchen-Gesangbuch, das endlich nach langen Bemühungen enstand.
"Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder!"
Viele alte Glaubenslieder sind wieder hineingekommen, dazu neue Lieder, die in den vergangenen Jahren des Kirchenkampfes, den der nationalsozialistische Staat gegen die evangelische Kirche führte, entstanden.

Ein neues scheint als Frucht dieser Kämpfe zu werden, und unsere Kirche ist aus der Sicherheit herausgenommen und ringende und leidende Kirche geworden. Wir dürfen dem Herrn nachgehen und Er ist bei uns alle Tage bis an der Welt Ende.

Am Dienstag nach Pfingsten 1955.

Tastungen, den 31.Mai 1955.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes , Amen.

In der Woche vor Pfingsten dieses Jahres wurde bei der Reparatur und Neueindeckung des Turmes der evangelischen Kirche zu Wehnde die Kugel heruntergeholt und dabei der Inhalt besichtigt.

Aus dankbarem Herzen könne auch wir, genau wie unsere Vorfahren bezeugen, daß uns Gott der Allmächtige und Vater unseres Herrn Jesus Christus durch viel Not und Elend hindurchgerettet hat.
Er hat dieses ihm geweihte Haus in Wehnde und das Dorf in den Wirren der letzten Kriegsmonate im Jahre 1945 vor größerem Schaden behütet und bewahrt.- Er wolle es auch ferner behüten und uns nicht mir Mangel an Seinem Wort strafen.Obwohl wir oft solche Strafe verdient haben. Die Unkirchlichkeit ist groß in unserem Vaterland und auch in Wehnde wird noch oft an den Sonntagen auf den Feldern gearbeitet. Es ist dies zum Teil eine Schuld des früheren Schlosses, das seinen Leuten in der Woche nicht die notwendige freie Zeit für eigene Feldarbeit ließ, und so hat sich die Sonntagsarbeit eingewurzelt als ein böses Übel. Es bleibt zu fragen, ob all die Nöte unserer Zeit, vor allem auch die unselige Grenze mitten im deutschen Lande nicht Gottes Strafgericht über das Deutsche Volk, das Volk der Reformation, bedeutet. Das Lied Johann Walters, des Zeitgenossen Martin Luthers, will auch uns rufen und mahnen:

"Wach auf, wach auf, du deutsches Land!"

Im Zuge der politischen und sozialen Neuordnung in diesem Teile des deutschen Vaterlandes wurde das Schloß und Gut in Wehnde zerstört und die Ländereien durch die Bodenreform verteilt. Die Träger des Namens Wintzingerode-Knorr mußten außer Landes gehen.

Die kirchliche Unterweisung der Schuljugend erfolgt nicht mehr in der Schule und durch die Lehrer, sondern ist Angelegenheit der Kirche geworden. Sie wird in diesem Pfarrbezirk durch den Pfarrer und seine Frau, in anderen Bezirken durch neu ausgebildete Katecheten erteilt. Auch ist der Schullehrer nicht mehr Kantor und Organist.

Im Jahre 1920 verstarb Herr Pfarrer Krummhaar. Er liegt mit seiner Gattin auf dem neuen Tastunger Friedhof beerdigt. Seine Nachfolger im Pfarrbezirk sind:

Herr Pfarrer lic.Suckert für 6 Jahre
Herr Pfarrer Zippel für 4 Jahre
Herr Pfarrer Gottschalk für 22 Jahre

und seit Ostern 1952 arbeite ich in diesen Gemeinden.

Infolge der Einweisung vieler ostdeutscher Volksgenossen in diese Dörfer sind die ehemals rein katholischen Dörfer Ferna, Brehme und Ecklingerode evangelische Diaspora geworden und so halte ich außer in unseren evangelischen Kirchen zu Tastungen und zu Wehnde auch in den katholischen Kirchen zu Brehme und Ecklingerode regelmäßig Gottesdienst und Abendmahlsfeiern, wogegen in dieser Wehnder Kirche auch katholischer Gottesdienst stattfindet. Eine große Not wird damit die Frage der gemischten Ehe.

Dem Gemeindekirchenrat gehören zur Zeit der Reparatur-Arbeiten, die durch den Dachdeckermeister Holzapfel aus Worbis für etwa 7000,-- DM durchgeführt wird, die Herren Karl Schmidt, Georg Schmidt, Ferdinand Schatz und Ernst Schatz, sämtlich aus Wehnde an.